NACH DEN ERSTEN MINUTEN UNSERES TREFFENS WAR MIR KLAR: IN PASCAL MARCHAND LEBEN ZWEI PROFILE, SOWOHL DER CHARAKTERDARSTELLER ALS AUCH DER REGISSEUR. INTERESSANTERWEISE BEZEICHNETE ER SICH AM ENDE UNSERES GESPRÄCHES SELBST ALS REGISSEUR. ER IST HALB „HOMME DE BOIS“, ZU DEUTSCH WALDMENSCH, UND HALB ERFAHRENER SEEBÄR – UND ZWAR EIN ECHTER, DENN ER IST BEREITS IN SEHR JUNGEN JAHREN MIT DER HANDELSMARINE ZUR SEE GEFAHREN. DEN WALDMENSCHEN KENNZEICHNET EINERSEITS DIE ABSTAMMUNG AUS QUÉBEC IN KANADA, EINEM LAND MIT GROSSEN WÄLDERN, ANDERERSEITS DIE FRANZÖSISCHE DOPPELBEDEUTUNG FÜR „BOIS“. DAS WORT STEHT SOWOHL FÜR HOLZ ALS AUCH FÜR DIE IM WINTER GESCHNITTENEN REBEN, UM DIE SICH PASCAL AM LIEBSTEN KÜMMERT.
„WIE KANN EIN WEIN BESONDERS SEIN, WENN DIE TRAUBEN, AUS DENEN ER GEKELTERT WIRD, NICHT OPTIMAL VERSORGT WERDEN?“ DIESES THEMA IST WICHTIG FÜR PASCAL. „DER WEIN MUSS DEN BODEN WIDERSPIEGELN, DER DIE REBSTÖCKE GENÄHRT HAT. GENAU WIE DER MENSCH DARF AUCH DER WEIN SEINE WURZELN NIEMALS VERGESSEN.“
Pascal Marchand
Die Rebe wurzelt besonders tief, wenn sie sich natürlich entwickeln kann. „Natürlich“ ist für Pascal ein Schlüsselwort. Als er in den 1980er Jahren zum ersten Mal ins Burgund kam, war der Boden nicht selten von chemischen Produkten beeinflusst. Er und seine Kollegen mussten oft um frische Luft im Nebel der gespritzten Chemie ringen, an den Tagen der Schädlingsbe-kämpfung bekam er zusätzlich gesundheitliche Probleme. Pascal gehörte damals neben Dominique Lafon und Christoph Roumier zu der jungen Generation von Winzern, die sich früh der Gefahren für die Weinberge bewusst wurden und sich somit sehr früh für biologische und biodynamische Methoden entschieden.
Die beiden wurden zu renommierten Winzern. Pascal ebenso: Sein aus Pommard stammender Clos des 1996 Epeneaux wurde vom Wine Spectator zum „top wine“ innerhalb der 100 besten Weine der Welt gekürt. Weinkritiker Michel Bettane hielt ihn damals für die weltweite Referenz des Pinot Noir. Dies war ein bedeutender Motivationsschub für Pascal und bis zum heutigen Tag hat er nichts von seinem Drive verloren. Im Burgund benötigt man zur Umsetzung großer Ziele entweder Familienbesitz oder starke Partner. Die Zusammenarbeit von Pascal mit einem finanzstarken Frankokanadier, Moray Tawse vom Weingut Tawse in Niagara, einem der bekanntesten Weingüter Kanadas, führte 2011 zur Gründung des Maison Marchand-Tawse. Dieses vinifiziert pro Jahr gemeinsam mit Domaine Tawse bis zu 60 verschiedene Weine und kann auf nicht weniger als 14 Grand Crus zurückgreifen. Ein riesiger unternehmerischer Erfolg für den zugereisten Kanadier innerhalb von Burgund.
Trotzdem beginnt für Pascal jedes Jahr ein neues Weinabenteuer, bei dem Verbesserungen ins Auge gefasst und umgesetzt werden müssen. Er ist nicht jemand, der sich auf seinen Lorbeeren ausruht, sondern neugierig auf alles, wissensdurstig und immer zu Herausforderungen bereit. Auf meine Frage, was ihn neben dem Weinbau in seiner freien Zeit begeistert, erzählt Pascal von seiner Passion für das Schreiben und insbesondere das Verfassen von Gedichten. Das passt in das Bild der von seiner Hand vinifizierten, verkosteten Weine. Diese drücken im Glas genau dieselbe Emotion und Intensität aus, die Pascal mir in unserem Gespräch vermittelt hat. Aus meiner Sicht steckt in jedem großen Winzer ein kleiner Dichter und in den Weinen von Pascal finde ich tatsächlich Poesie. Seine Weine erzählen Geschichten.
Pascal, der frankreichbegeisterte Quebecer, ist ein Globetrotter, der regelmäßig in verschiedene Weinregionen der Welt fliegt, wie Kalifornien, Südafrika und Australien. Dort gibt er sein Know-how weiter, um sein in Burgund erworbenes Wissen anderswo anzuwenden und zu erproben. Dieser Ansatz basiert global auf einer sehr einfachen Grundlage: Qualität und Natur ideal zur Geltung zu bringen.
Es ist die Nähe von Pascal zu den Menschen und zu den Winzern, die mich beeindruckt. Dies erklärt für mich auch seinen Zugang zu den guten Grand Crus von Burgund – in seiner Funktion als Erwerber dieser Lagen wie auch als micro-négociant. Ein solcher ist grob betrachtet ein Winzer, der Trauben aus Flächen verwendet, die ihm nicht gehören. Er betreut im Gegensatz zum Négociant häu-fig den gesamten Verlauf der Reifeperiode und übernimmt auch das Manage-ment der Weinerzeugung. Von Rebschnitt, Düngung, Laubmanagement bis zur endgültigen Weinbereitung und Abfüllung kann alles in seiner Hand liegen.
Damit spielt Pascal auf der gesamten Klaviatur des Burgunds. Mit eigenen Rebflächen der Domaine Tawse und den Weinen der Maison Marchand-Tawse. Genau hier liegt der Vorteil für Sammler, Trinker und Genießer seiner Weine. Diese Kombination aus Domaine und Maison ermöglicht das hochattraktive Preis-Leis-tungs-Verhältnis innerhalb Burgunds für uns als Käufer. Exemplarisch, sowohl für die gewählte Überschrift des Vergleiches mit Robin Hood als auch für die Preisfindung von Pascal Marchand, nachfolgend ein kurzer Vergleich. Der 2018er Corton der Domaine de la Romanée Conti, der bedeutendsten Adresse im Burgund, wird aktuell zu einem Preis von rund 2.200 Euro je Flasche gehandelt Der 2018er Corton von Maison Marchand-Tawse kostet aktuell im Handel 115 Euro.
Nachfolgend finden Sie Verkostungsnotizen. Hinweis: Die genannten Weine können über und auf Kate & Kon Wolf GmbH (www.kateandkon.com) bezogen werden. Pascal Marchand und Kate & Kon waren ebenfalls Quellen für diesen Artikel.
2020 Morey St-Denis Genaivrières 1er Cru, Marchand-Tawse
Dunkel in der Farbgebung und komplex im Bukett. Attraktiv parfümiert, auch floral. 80 Prozent Ganztraubenpressung, zu einem Drittel im neuen Holz ausgebaut. Der Wein hat viel mehr Kraft, als ich erwartet hatte. Frische und präzise dunkelrote Frucht und sehr feine Mineralität bei lebendiger Säure. Langer Nachhall. Ein echter Star in diesem Jahr. Verkostet: November 2021
2020 Clos de la Roche Grand Cru, Marchand-Tawse
25 Prozent Ganztraubenpressung, in einem neuen Fass ausgebaut. Mittleres Purpur in der Farbgebung, sehr komplexes Bouquet. Flüssiger Himbeerextrakt sowie Noten von Kirsche und Brombeere. Am Gaumen viel Tiefe, ausgezeichnete Textur mit einem Potpourri aus feiner Frucht und prägnanter Säure. Sehr elegantes und feines Tannin. Attraktiver Nachhall. Verkostet: November 2021
2018 Corton Grand Cru, Marchand-Tawse
Dichte, dunkle Farbe. Anfangs dezent im Duft. Zimtnoten vom Ausbau, feine Frucht, präzise, dunkle Beerenaromen bei gut integrierter Säure. Noch junges, aber feinkörniges Tannin, gute Textur und viel Frische. Ein eleganter Wein mit attraktiver innerer Spannung und viel Potenzial für die Reifeentwicklung.
Verkostet: November 2020